KRGB BannerOffener Brief an alle Mitglieder des KRGB

 

Was sollte für eine dauerhaft gute Zukunft des Katholischen Religionsunterrichts angesichts schwindender Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Kirche getan werden?

Mit dieser Frage befasste sich am 28.9.2013 die Landesverbandskonferenz des KRGB. Anlass dafür war u. a. die 2013 erschienene Studie „Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus“[1]. Diese untersuchte, wie es um Religiosität und Kirchlichkeit unter den deutschen Katholiken bestellt ist. Der Aufforderung an die Verbände durch das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK), die Aussagen dieser Studie ernst zu nehmen, wollen wir als KRGB ebenfalls nachkommen.

Zusammenfassend sind für die Zukunft des katholischen Religionsunterrichts folgende Ergebnisse bedenkenswert:

  • Von den Befragten wird immer wieder genannt, dass die Glaubwürdigkeit der Institution Kirche unter der Aufdeckung und dem Umgang mit Missbrauchsfällen gerade auch unter den treuesten Anhängern massiv gelitten hat und gleichzeitig eine große Strukturreform im Gange ist (Bildung großer Seelsorgeeinheiten, orts- und kulturfremde bzw. teils wenig sprachkundige ausländische Priester, Verkauf von Immobilien und Schließung von kirchlichen Einrichtungen). Das alles erzeugt Unsicherheit und Unmut. Quer durch alle Milieus wird ein massiver Imageschaden der Institution erkennbar; zugleich wird der Kirche ein Modernisierungsdefizit bescheinigt, das nicht mehr wie noch vor einigen Jahren mehr oder weniger geduldig ertragen oder stillschweigend übergangen, sondern vielmehr offen angesprochen und kritisiert wird. „Quer durch die Milieus sind sich die Befragten einig, dass die katholische Kirche in Deutschland, so wie sie im Moment ist, keinen Bestand haben wird“.
  • Die lebensweltliche Einbettung von Religion ist weitgehend verloren gegangen. Insbesondere in jungen und unterschichtigen Milieus spielen Glaube und Religion im Alltag keine große Rolle mehr. Verschwände die Kirche, wäre das im Alltag der meisten dieser Menschen „ohne Bedeutung". Der Freiburger Religionssoziologe Prof. Dr. Michael N. Ebertz, der beratend an der Studie mitgearbeitet hat, sagt: „Zum ersten Mal wird in einer Studie massiv die Möglichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die katholische Kirche in Deutschland kollabieren könnte.“ (Interview am 25.1.2013 Quelle: katholisch.de)
  • Trotz aller Kritik wird jedoch auch viel von der Kirche erwartet. Die Kirche und ihre Dienste werden nach wie vor gebraucht. Quer durch die Milieus wünschen sich gläubige Katholiken z. B. spirituelle Orientierung, seelsorgerische Begleitung in schwierigen Lebenslagen, Kasualien, Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, Fröhlichkeit und Lebendigkeit … Man erwartet von der Institution Kirche Beweglichkeit und Reformwilligkeit, d. h. mehr Kompetenzen für engagierte Laien, mehr Frauen in Leitungsämter; Priesterweihe für Frauen, Aufhebung der Zölibatspflicht für Geistliche, eine andere Einstellung zur Empfängnisverhütung und zur Sexualität, Zulassung zu den Sakramenten für alle Menschen, die sich als Christen verstehen, unabhängig von ihrem Lebenswandel, ihrer sexuellen Identität oder Konfessionszugehörigkeit, weniger Prachtentfaltung, weniger Machtmissbrauch und Konzentration auf die Kernaufgaben Gottesliebe und Nächstenliebe, schließlich einen Umgang auf Augenhöhe zwischen Klerus und Laien in ihren vielfältigen Funktionen.

Jede/r Religionslehrer/in erlebt täglich im Unterricht diese Veränderungen. Die Art und Weise, wie sich die Bevölkerung religiös und kirchlich orientiert, hat erhebliche Auswirkungen auf unseren Unterricht, ja längerfristig besteht die Gefahr, dass es sogar zu einer Abschaffung des Pflichtfachs Katholische Religionslehre kommen könnte, wie das bereits in drei Bundesländern geschehen ist, was sowohl unserer persönlichen Sendung als auch unseren Berufsinteressen nachhaltig Schaden zufügen würde.

Was können wir als KRGB in der Überzeugung, dass Auftrag und Botschaft der Kirche positiv und sinnvoll sind und dem Mensch gut tun, dagegen tun?

  1. Als Solidargemeinschaft können wir unsere Mitglieder und alle Religionslehrer/innen darin bestärken, einen möglichst guten RU zu halten, der die Menschen vom hohen Wert des RU überzeugt. Im KRGB versuchen wir auf vielfältige Weise, dabei Hilfestellung zu geben (z.B. Fortbildungen und Hinweise und Hilfen für den Unterricht; siehe Rundbrief und www.krgb.de) und dieses Anliegen in Begegnungen und Gesprächen von Mitgliedern des Verbandes mit staatlichen und kirchlichen Amtsträgern bzw. durch Mitarbeit in verschiedenen Gremien einzubringen.
  2. Darüber hinaus können wir uns als Verband verstärkt dafür einsetzen, dass die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Kirche durch entsprechende Reformen wieder zunimmt. Die Anzahl der Religionslehrer/innen übersteigt die der Priester in Deutschland derzeit um das Siebenfache, so dass die Religionslehrer/innen die mit Abstand größte Theologengruppe bilden. In unserem Unterricht erreichen wir in besonderer Weise junge Katholiken (siehe geringe Austrittszahlen aus dem RU) und tragen so entscheidend dazu bei, dass der Glaube an die kommenden Generationen weitergegeben wird.

Wir sind bereit, der damit verbundenen Verantwortung vor Gott gerecht zu werden und im Rahmen des Religionsunterrichts unseren Beitrag für eine gute Zukunft der Kirche zu leisten. Deshalb haben wir in der Landesverbandskonferenz am 28.9.2013 beschlossen, eine kleine Arbeitsgruppe zu bilden, die auch Ihre Beiträge zu dieser Problematik aufgreifen möchte. Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung und Ihre Anregungen! Wir möchten rechtzeitig vor der Landesmitgliederversammlung im November 2014 ein Leitlinien- oder Positions-Papier zu notwendigen Veränderungen in unserer Kirche erarbeiten, das zur Diskussion und Verabschiedung vorgelegt werden kann.

Dem starken Wind des Wandels wollen wir uns nicht resignierend ergeben und uns fortwehen oder im trotzigen Widerstand zerbrechen lassen, sondern dem chinesischen Sprichwort folgen: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen.“ Wir wollen als KRGB mit bauen an einer lebensdienlichen, Kraft spendenden und zukunftsfähigen Kirche von und für die Menschen.

Dazu sagte kurz vor seinem Tod Kardinal Martini am 8. August 2012 im seinem letzten Interview: „Die Kirche ist 200 Jahre lang stehengeblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut. Ich bin alt und krank und auf die Hilfe von Menschen angewiesen. Die guten Menschen um mich herum lassen mich die Liebe spüren. Diese Liebe ist stärker als die Hoffnungslosigkeit, die mich im Blick auf die Kirche in Europa manchmal überkommt. Nur die Liebe überwindet die Müdigkeit. Gott ist die Liebe. Ich habe noch eine Frage an dich: Was kannst du für die Kirche tun?“

Papst Franziskus bekräftigt in seinem am 20.September 2013 veröffentlichten Interview: „Versuchen wir, eine Kirche zu sein, die neue Wege findet, die fähig ist, aus sich heraus und zu denen zu gehen, die nicht zu ihr kommen, die ganz weggegangen oder die gleichgültig sind. Die Gründe, die jemanden dazu gebracht haben, von der Kirche wegzugehen - wenn man sie gut versteht und wertet - können auch zur Rückkehr führen. Es braucht Mut und Kühnheit.“

Wir haben die Hoffnung, dass mit Papst Franziskus neue Möglichkeiten für eine gute Zukunft unserer Kirche und des katholischen Religionsunterrichts bestehen – und wir möchten dazu verantwortungsbewusst unseren Beitrag leisten.

 

Es grüßt Sie herzlich im Namen der Arbeitsgruppe

Ihr Landesvorsitzender P. Erhard Staufer SDB

 


[1] Zusammenfassung siehe: www.ksta.de/blob/view/21544776,17560427,data,Sinus-Studie.pdf

 

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